Nachdem ich an meinem Geburtstag versucht hatte den Cotopaxi in Ecuador zu besteigen, hatte ich Blut geleckt (was das Besteigen eines hohen Berges betrifft). Zwar hatte uns das Wetter damals einen Strich durch die Rechnung gemacht… aber wir hatten trotzdem einen guten Einblick bekommen, wie es sich anfühlt. Mir war nach dem Erlebnis klar: das war nicht mein letzter Berg/Versuch. Und dann hörte ich während meiner weiteren Reise, dass es in Bolivien einen Berg namens Huayna Potosí gibt. Ein 6000er, der als relativ einfach gilt. Einfach nicht im Sinne von, hey, jeder kann da hoch spazieren. Aber einfach was den Zugang betrifft und im Vergleich zu anderen 6000ern keine all zu große alpine Schwierigkeit besitzt. Ich würde im Nachhinein behaupten, jeder der mit der Höhe klarkommt (6088m ist eeecht hoch!) und einigermaßen fit ist und es wirklich will, der schafft den Aufstieg.

Darf ich vorstellen? Meine neueste Herausforderung, der Huayna Potosí:

In La Paz hatte ich Daniel wiedergetroffen, mit dem ich zusammen den Salkantay Trek gewandert bin. So beschlossen wir auch gemeinsam diesen Berg zu besteigen und buchten die 3 Tage/2 Nächte Tour mit Jiwaki. Samstagmorgen setzte Aldo mich bei der Agentur ab und ich lernte meine Wandertruppe für die nächsten Tage kennen, schien ein ganz netter Haufen zu sein… Nachdem alles Gepäck verstaut war und wir uns auf zwei Minibusse aufgeteilt hatten ging es erst mal noch zum Schuh-Lager der Agentur, wo wir alle der Reihe nach Schuhe anprobierten und am Kiosk nebenan noch ein paar Snacks kaufen konnten. Dann fuhren wir insgesamt 2 Stunden bis zum Base Camp, mit einem kleinen Zwischenstopp, wo ich das obige Foto geschossen habe. Schon verrückt wenn man dort steht und sich diesen Berg ansieht und weiß, hey in ein paar Tage bin ich dort ganz oben auf diesem winzigen Gipfel. Es hat sich unwirklich angefühlt und die Vorfreude stieg bei uns allen. Im Base Camp angekommen (4700m) verstauten wir unser Gepäck, suchten uns ein Bett aus und bekamen Mittagessen.

Frisch gestärkt sollten wir unsere Ausrüstung anziehen und uns für das erste kleine Abenteuer bereit machen. Klettern an einer steilen Wand eines Gletschers. Wir hatten alle richtig Lust dadrauf und marschierten so fröhlich los. Der Gletscher war ca. eine halbe Stunde vom Camp entfernt (4900m) und es wurde immer nebeliger.

Am Ziel angekommen sollten wir die Steigeisen anlegen, unsere Eisaxt bereit halten und die Helme aufsetzen. Dann übten wir erst an einer nicht ganz so steilen Wand, wie man am besten mit den Steigeisen auf und ab steigt. Euen und ich waren die Ersten. Es gab großes Gelächter, als einer der Guides meinte “Macht es so wie Kathi, nicht wie er!” Muss wohl lustig ausgesehen haben, aber ich war so auf mich und den Aufstieg fixiert, dass ich es nicht sehen konnte. Außerdem hatte ich durch den Cotopaxi auch schon Erfahrung damit, mit Steigeisen zu laufen.

Hier ging es als erstes rauf.

Danach fixierte einer der Guides zwei Seile an einer steileren Wand. Was von oben so aussah und mir ehrlich gesagt nicht das aller sicherste Gefühl gab haha. Aber im Endeffekt vertraut man darauf, dass die Guides wissen was sie machen.

Und dann durften wir einer nach dem anderen die Wand mit zwei Eisäxten bewaffnet erklimmen. Mir hat es unfassbar viel Spaß gemacht und meine Boulder/Kletter-Erfahrung war sicherlich hilfreich. Der Guide gab mir nach dem Abstieg ein High-five mit den den Worten ”Well done!”.

Ich hätte noch ein paar weitere Strecken klettern können, aber auch so war es wirklich ein großer Spaß. Vor allem mit meiner Gruppe und den Guides – ein Witz jagte den nächsten. Eine sehr homogene Gemeinschaft, obwohl wir so unterschiedlich waren: Ianko, war mit 21 Jahren der Jüngste in der Gruppe, in Kanada geboren und Eltern aus Guatemala und Chile. Er lässt sich in jedem Land das er besucht ein kleines Tattoo stechen und hat auch ein Partner-Tattoo mit seiner Mama. Dann war da noch Daniel, auch aus Kanada (den ich ja schon vom Salkantay Trek kannte) der aber ursprünglich im Iran geboren wurde und mit seiner Familie als Kind nach Kanada floh. Euen aus Schottland, der seit vielen Jahren in Australien wohnt und immer einen Spruch auf den Lippen hatte. Ein sehr liebes und witziges Paar aus Belgien, welches sich gerne frotzelte. Und am zweiten Tag kam noch ein deutscher aus München dazu, welcher als Einziger nicht langzeitreisend war, sondern ”nur” 3 Wochen Urlaub in Bolivien machte. Ich liebe es immer noch jedes Mal aufs Neue so unterschiedliche und interessante Menschen kennenzulernen. Wir hatten über die 3 Tage eine Menge Spaß zusammen, aber auch tiefgründige Gespräche.

Zurück im Camp gab es Abendessen und danach unterhielten wir uns noch einige Stunden über alles mögliche, bevor es in unsere Betten und Schlafsäcke ging.

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück packten wir unsere Rucksäcke: Helm, Handschuhe, Sicherungsgeschirr, Steigeisen, Schuhe, Eisaxt, Schlafsack etc. Mein Rucksack war ganz schön voll und schwer.

Im Anschluss an das frühe Mittagessen danach, ging es in einer ca. zweistündigen anstrengenden Wanderung hoch zum High Camp (5200m). Auf dem Weg mussten wir noch Eintritt bezahlen, weil die Natur dort geschützt ist und wir trafen die Leute wieder, welche die Tour in 2 Tagen gemacht hatten, also morgens auf dem Gipfel waren. Sie sahen alle ganz schön fertig aus und meinten, es sei das Heftigste, dass sie je gemacht hätten. Uhhfff,… Das hört man natürlich nicht so gerne, wenn einem der Aufstieg kurz bevorsteht haha. Die Höhe merkten wir jetzt schon: es ist definitiv deutlich anstrengender zwischen 4700 und 5200m Bergauf zu wandern. Aber alle waren positiv und außerdem machte Ianko unseren persönlichen DJ und heizte uns mit guten Songs so richtig ein. Spoiler Alarm: mitsingen und tanzen ist in der Höhe auch nicht so easy. Aber wir machten immer wieder kleine Pausen und ließen uns die Laune auch von Nebel, kleinen Schneeflöckchen und der Höhe nicht vermiesen.

Ich denke man kann unseren Gesichtern deutlich ansehen, wie viel Freude wir hatten 🙂

Und dann waren wir da: im High Camp. 5200m. Das ist genau die Höhe, bei der ich auf dem Cotopaxi gezwungen war wieder umzudrehen.

Nach einem kleinen Sack und heißem Tee hatten wir offiziell ein bisschen Freizeit. Wir hörten Musik, spielten gemeinsam ein paar Spiele und quatschten wieder über Gott und die Welt.

Nach einem frühen Abendessen, erklärten unsere Guides uns den Ablauf für die Nacht und wer mit welchem Guide zusammen den Aufstieg machen würde. Ich war mit Daniel in einem Team (und den Namen von unserem Guide konnte ich mir schon dort einfach nicht merken – upsi). Danach sollten wir unsere Ausrüstung bereitlegen und unsere Rucksäcke neu packen – nur mit den Sachen, die wir während dem Aufstieg brauchen würden. Und dann ging es super früh ab ins Bett. Jeder bereute es, aufs Klo zu müssen während der Nacht, weil wir dafür raus aus der Hütte mussten und es dunkel war und leicht schneite. Die Nacht war für uns auch nicht besonders lang. Um Mitternacht wurden wir geweckt und machten uns startklar: Anziehen, Rucksack schnappen, Helm auf, Tee trinken, draußen antreten. Gegen viertel nach eins ging es dann los. Nacheinander marschierten wir den Berg hoch, alle Stirnlampen an und mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Vorfreude. Bis zu unserem ersten größeren Stopp, wo wir die Steigeisen anlegten.

Kurz später ging es dann schon weiter. Kontinuierlich höher und höher. Zwischendurch immer wieder kleine Pausen, um etwas zu trinken oder eine Kleinigkeit zu essen oder auch einfach um ein paar Fotos zu machen. Ich dachte zwischenzeitlich, dass die Sonne schon aufgehen würde, aber da lag ich total falsch (hätte um die Uhrzeit auch keinen Sinn gemacht – so logisch dachte ich in dem Moment allerdings nicht), es war das Licht aus La Paz. Unfassbar wie groß die Lichtverschmutzung ist, aber gleichzeitig auch wunderschön anzuschauen.

Wirklich ein unbeschreibliches Gefühl mitten in der Nacht durch den Schnee zu stapfen, über Gletscherspalten zu springen, festzustellen, dass einem das Getränk einfriert… ein kleines Stück Schneewand mit der Eisaxt zu erklimmen. Die Natur zu bestaunen und schließlich einen wunderschönen, perfekten Sonnenaufgang zu genießen.

Außerdem liebe ich die Ruhe in den Bergen, vor allem nachdem ich die letzten Wochen in La Paz verbracht hatte, wo es immer super laut und wuselig ist. Es fühlt sich an wie in einer anderen Welt zu sein, einfach so friedlich und erholsam – obwohl es gleichzeitig super anstrengend ist.

Eins meiner Lieblingsfotos von der Tour.

Daniel hatte zum Schluss extrem mit der Höhe zu kämpfen und je näher wir dem Ziel kamen, desto schlimmer wurde es. Er musste sich übergeben, sah doppelt und stürzte einmal ein bisschen ab. Wir konnten den Gipfel schon sehen, als er aufgeben wollte und zu uns sagte ”Geht alleine weiter. Ich kann nicht mehr!”… Ich ermutigte ihn weiter zu machen, sagte er würde es für immer bereuen jetzt nicht weiterzugehen, dass wir den Gipfel dort doch schon sehen könnten. Und so raffte er sich nach einem kleinen Snack und einer kurzen Pause wieder auf und quälte sich die letzten Meter bis zum Gipfel. Dort ließ er sich erschöpft fallen und blieb erst mal einige Minuten liegen. Ich muss sagen, dass ich jedes Mal wieder unfassbar dankbar bin, dass ich die Höhe relativ gut vertrage (hatte nur leichte Kopfschmerzen). Zudem ist es sicherlich ein großer Vorteil, körperlich sehr fit zu sein. Zurück im Camp witzelten die anderen, dass ich jetzt bereit für ein Workout wäre, damit ich auch ausgepowert bin. Ich will gar nicht angeberisch klingen oder sowas, vielleicht eher ein bisschen Werbung dafür machen, welche Vorteile es hat sportlich zu sein. Natürlich war es auch für mich sehr anstrengend, aber aus unserer Truppe hab ich den Aufstieg tatsächlich am besten weggesteckt. Von uns 7 haben 2 auch kurz vor dem Ziel abbrechen müssen, weil die Höhenkrankheit einfach zu schlimm wurde (das belgische Pärchen). Ich finde sie können trotzdem stolz auf sich sein, dass sie es so hoch hinauf geschafft haben. Und ich bin definitiv auch stolz auf mich. So hoch bin ich noch nie in meinem Leben gewesen und es war eine unfassbar tolle Erfahrung.

6088m. Nach 5:45 Stunden und 888 Metern Austieg.

Und nach einer kleinen Foto-Session und dem Genießen der Aussicht ging es eine Weile später auch schon wieder bergab. Gegen 10 Uhr waren wir zurück im Camp, bekamen Frühstück und unterhielten uns ganz aufgeregt über das Erlebte. Hier noch ein paar Eindrücke vom Abstieg:

Ich weiß gar nicht so richtig, wie ich euch veranschaulichen kann, wie es sich angefühlt hat diesen Berg zu besteigen. Wir waren die meiste Zeit mit dem Sicherungsgeschirr und einem Seil an unseren Guide und auch aneinander ”gekettet”. Der Guide ging bergauf voraus, danach ich und hinter mir Daniel. Auf dem Rückweg genau andersherum, erst Daniel, dann ich und ”über” uns der Guide, damit er uns im Notfall retten kann. Wir sollten das Seil zwischen uns immer kurz halten (der Guide rollte ein Stück davon auf und drückte es uns in die Hand, damit wir näher beieinander waren), außer wenn es z.B. über Gletscherspalten ging (dann sollten wir das Seil loslassen, damit mehr Abstand zwischen uns war). Einmal rutschte Daniel aus und schlitterte ein Stück einen Hang runter. Ich dachte noch ”oh fuck, das Seil welches um meine Hand gewickelt ist schnürt mir gleich alles ab”, aber da schnappte der Guide das Seil auch schon vor meiner Hand und zog Daniel blitzschnell wieder hoch zu uns. Er erzählte uns, er arbeite schon seit 25 Jahren als Guide und hätte den Gipfel schon um die 850x erklommen. Spätestens danach fühlte ich mich 100% sicher mit ihm. Der Weg war auch ganz unterschiedlich: harter und weicher Schnee, Steine und Geröll, laufen, stapfen, springen, ein bisschen klettern – definitiv ein großer Unterschied zum Sonntagsspaziergang.

Und diesen Moment möchte ich noch hervorheben vom Abstieg, als wir eine steile Wand herunter mussten. Der Guide seilte erst Daniel ab und baute mir dann fix mit einem Seil eine Vorrichtung mit der ich mich selbst runterlassen konnte. Er erklärte mir schnell wie es funktioniert und dann hieß es schon: ab die Post. Cooles Erlebnis.

Gegen 11 Uhr machten wir uns dann mit dem kompletten Gepäck und frisch gestärkt wieder auf den Rückweg zum Base Camp. Mir machte der schwere Rucksack zum Ende dann etwas zu schaffen und ich war echt froh, als wir endlich unten ankamen. Wir gaben unsere Ausrüstung zurück, machten noch eine kleine Abschiedsrunde mit unseren Guides und dann saßen wir auch schon im Minibus zurück nach La Paz. So verrückt, morgens oben auf dem Gipfel, umringt von Natur und Ruhe und am späten Mittag zurück im wuseligen und lauten La Paz.

Und so viel sei verraten: Der Huayna Potosí war mit Sicherheit nicht der letzte Berg, den ich erklommen habe 🙂

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1 Kommentar

  1. Beste Kathi,
    ich bin hin und weg!
    H A M M E R – G R A N D I O S – bitte weiter so (muss gar nicht so hoch sein).
    Klasse Beschreibungen, extrem tolle Fotos…, so richtig was Adäquates, kann ich dazu gar nicht schreiben, außer: für mich fast wie dabei gewesen!
    Ich wünsche Dir weiterhin FORTUNE und freundliche Gleichgesinnte / HelferInnen / ‚Spaßvögel‘ um Dich herum.
    VIEL FREUDE BEI DEINEN ABENTEUERN – Manchmal denke ich: ob Kathi überhaupt ins Ruhrrevier zurückkehrt!
    L.G. Wilhelm
    NS: Einen neuen Trainer hat S04 noch nicht bekannt gegeben!

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